Josef Zotter hat Spaß bei der Arbeit, solange er das Gegenteil von dem tut, was alle erwarten. Herr Rubinowitz ist entspannt, solange niemand um Punkt 12 Uhr die Beine auf den Tisch legt, die Freundin anruft und fragt: "Naaa, wie hamma's?" Hinter uns liegt ein inspirierender und unterhaltsamer FRTG im Büro in Gleisdorf.
Talk #1: Josef Zotter
Über Jungfrauen, goldene Anstecknadeln und die Knochenpest.
Schokoladenmacher Josef Zotter eröffnete den Abend mit einem ungewöhnlichen Geständnis: „Es ist nicht immer gut, wenn man was lernt. Ich hab vier Berufe gelernt – Koch, Kellner, Landwirt und Konditor – und jetzt bin ich Chocolatier.“ Der Steirer stellte bereits Geschäftsmodelle auf den Kopf, lange bevor Andersdenker als "Disruptive" hip wurden. In seiner Konditorei servierte er Hanftorte statt Cremeschnitte, heute füllt er seine Schokoladen mit Insekten, Käse und der Knochenpest.
Er ist einer, der bei Herausforderungen als Erster aufzeigt und sich erst nachher überlegt, wie er aus der Nummer raus– beziehungsweise richtig reinkommt. So wie bei seinem ersten Saisonposten am Arlberg, wo er sich als blutjunger Koch voreilig als Küchenchef gemeldet hat. Statt Panik zu schieben, fuhr er nur in die nächste Bibliothek und las sich quer durch die Kochbuchabteilung. Schon da gab’s für ihn kein zurück, sondern nur ein Nach-vorne.
Wer wie der Zotter stets wie die Jungfrau zum Kind kommt, fällt dann und wann auf die Nase. 1996 musste der Unternehmer Insolvenz anmelden. Damals waren die Schokoladen noch etwas mehr als eine Idee und die Familie Zotter führte eine Konditorei mit mehreren Filialen. „Österreich fehlt eine Kultur des Scheiterns“, sagt er und spricht gerade auch deshalb so offen über die Pleite, die das Unternehmen offensichtlich nicht am späteren Welterfolg gehindert hat. Apropos ehrlich. Eine Marke muss für Herrn Zotter authentisch daherkommen. „Mach die Marke nicht besser als sie ist, aber auch nicht schiacher“, sagt er.
Unser erster Onlineshop war eine Excel-Liste. Die musste man ausfüllen, ausdrucken und faxen.
Als äußerst erfolgreicher Steirer bekommt Josef Zotter gern Besuch von Landespolitikern. Meist, um ihm eine weitere goldene Anstecknadel zu überreichen. Einmal da, verstrickt der Zotter sie in Gespräche darüber, wie man in Österreich bessere gesetzliche Rahmenbedingungen für Unternehmen schaffen kann.
Wenn der Zotter von etwas überzeugt ist, dann macht er das. Selbst wenn er mit seiner Meinung allein dasteht. Darum hält der Chocolatier Marktforschung für Humbug. "Fragen Sie mal hundert Leute ob sie eine Schokolade mit Insekten wollen. Alle hundert werden sagen: Nein. Wenn Sie aber eine anbieten, wollen alle sie haben." Er konstatiert wie so oft an diesem Abend: „Ich mache nicht das was der Markt sich wünscht. Ich mache das, was ich mir wünsche.“
Talk #2: Tex Rubinowitz
Über die Finnen, das Schlussmachen und Rumrosinen.
Tex Rubinowitz, der in Wirklichkeit anders heißt, kam mit dem falschen Zug. Also nach dem Umsteigen war’s schon der richtige, aber das war an diesem Abend Herrn Rubinowitz’ geringstes Problem. Der Mann war kurz zuvor von seiner Freundin verlassen worden. Mit Spaß bei der Arbeit hatte der Abend für ihn wohl wenig zu tun.
Denkste. Herr Rubinowitz, der ohne Vorteilskarte und Storyline gekommen war, bewies emotionale Standhaftigkeit und Standup-Qualitäten. Er erzählte von dem Tag, als John Lennon erschossen wurde und er sich traurig in einer Jogurtfabrik mit Rumrosinen beschwipste. Und davon, wie "The brand with the 3 stripes" seine Streifen für ein bisschen Geld und zwei Flaschen Whiskey einer finnischen Schuhmarke abgekauft hat. Freilich erfuhren wir auch, wie Rubinowitz in die Werbung kam.
Werbung ist grauenvoll, verrückt und scheiße, aber ich find's geil.
Er wollte unbedingt zu einer Agentur mit klingendem Namen. Also ging er die Gelben Seiten durch und „Ogilvy & Mather“ klang in seinem Ohren am besten. Der junge Rubinowitz tippte einen langen und rührigen Brief, woraufhin der Kreativdirektor ihn prompt einstellte. Über die Werbung sagt er heute: „Ich bräuchte aber sehr viele Rumrosinen, um wieder in der Werbung arbeiten zu können.“
Anfragen zu seinem Styling, insbesondere die eklatant dezente Kinderuhr und die minimalistische Marimekko Reisetasche, leiten wir auf Wunsch gerne an den Autor und Illustrator weiter.
Vorprogramm: Fredmansky im Schokoladehimmel.
Die Linzer Delegation machte am Weg nach Gleisdorf einen Umweg über Bergl. Eine beschauliche Ortschaft mit über 200.000 Besuchern im Jahr. Was es dort zu sehen gibt? Die Zotter Schokoladenmanufaktur. Wir haben uns zu Recherchezwecken den Bauch vollgeschlagen. Zuerst wollten wir etwas Hunger für die Jausensackerl aufsparen, die das Team Gleisdorf mit was Feinem von Mörath befüllt hat. Haben dann aber gevöllert. Und nichts bereut.